Zum Kramladen v. 14.04. Woman-Power
Lieber Volker,
"Mädchen, die singen und Hühnern, die krähen, denen soll man beizeiten die Hälse umdrehen" - diese immer wieder ach so amüsante Aussage, beispielsweise aus den Mündern ambitionierter Mitglieder tiefstprovinzieller Männergesangvereine, die von ihrem Klangbild her eher die Bezeichnung "Zwietracht" als "Eintracht" verdient haben oder männerdominierter, das Blech mit ohrenbetäubendem Getöse wegfliegen lassender Kirchenposaunenchöre, habe auch ich als begeistert "krähendes Huhn" in meiner Kindheit und Jugend zur Genüge oft zu hören bekommen.
Es ist sicher kein krampfhaftes Emanzengetöse, sich als musikbegeisterte Frau zu fragen, warum es immer noch so ungewöhnlich ist, dass Frauen auch damit erfolgreich sind, nicht nur von Männerhand hergestellte Musik zu reproduzieren, sondern auch eigene Musik zu produzieren?
Die Geschichte der Männerdomäne "Musik machen" durchzieht ja eigentlich die ganze Menschheitsgeschichte und betrifft nicht nur das Zeitalter seit den immer auch testosterongetriebenen Rock’n’Rollern bis zu den heutigen Varianten der Pop- und Rockmusik, wo es natürlich noch für einen besonderen Kick sorgt, wenn begeistert schreiende oder vor Rührung dahinschmelzende weibliche Zuschauer die Bühne umlagern und jede Menge "aufopferungswilliger" Groupies bereitstehen. Frauen haben hier selbstverständlich auch ihren Platz als singendende, popowackelnde Sirenen mit gigantischen Stimmen, von denen man in heutiger Zeit einigen auch endlich zugesteht (sei es, Geschmack und Gefallen hin oder her, zum Beispiel einer Lady Gaga, einer Beyoncé oder einem Unikum wie Pink), dass ihre populären Werke ganz oder teilweise aus eigener Feder stammen und nicht nur maßgeschneiderte, von Männern gemachte Werke über Mega-Sexiness, schmalztriefende Traurigkeit oder den Verstand ausschaltende Verliebtheit sind. Ansonsten ist das Bild der Songwriterin in vielen Köpfen immer noch das einer verhärmten, in bunte Hippiekleider gehüllten, nicht sehr attraktiven Frau, die sich einsam mit der Gitarre auf der Bühne ihren Weltschmerz von der Seele singt.
Bereits eine Hildegard von Bingen, eigentlich eine echte Universalgelehrte, "machte" im Mittelalter Musik in der Art gregorianischer Gesänge, wobei sie natürlich eher für ihre (frauentypische) Heilkunst bekannt wurde und nur deshalb für all dies nicht auf dem Scheiterhaufen landete, weil man sich über ihre Heiligkeit und die Basis der göttlichen Unterstützung ihrer Taten und Werke in einer für die damalige Zeit ungewöhnlichen Art einig war.
Oder Clara Wieck-Schumann: Gegängelt vom Vater und später in ähnlicher Weise vom Ehemann, beladen mit allen familiären Problemen wie Kindererziehung und dem zunehmenden Abgleiten ihres Mannes in Depressionen, hatte sie kaum Gelegenheit, ihr Kompositionstalent frei auszuleben und das zu schaffen, was sie wirklich wollte und konnte, wobei einige Kompositionen, die unter dem Namen Robert Schumann veröffentlicht wurden, wohl von ihr stammten oder sie daran beteiligt war!
Man könnte sich wirklich fragen, wie viel wertvolle, tolle, geniale, von Frauen gemachte Musik in vielen Jahrhunderten gar nicht beachtet, erlaubt und gehört wurde und maximal im stillen Kämmerlein versandet ist.
Deshalb, lieber Volker, Danke für Deine Sendung (passend zum "Girls-Day"
, in der Du Dich mit toller, anspruchsvoller, erfolgreicher Frauenmusik beschäftigt hast und die vor allem von dem Geist getragen, war, dass die "Hühner" es gar nicht mehr einsehen, nicht "krähen" zu sollen, sich selbstbewusst und selbstverständlich der Qualität ihres Schaffens und ihrer Produkte bewusst sind und damit auch die gebührende Anerkennung finden!
Ein wunderschönes Wochenende wünscht Dir
Christine
(per E-Mail beantwortet. VR)